Verlegeorte: Mittelstraße 1, Kaiserstraße 2 und Kaiserstraße 25.
Wissenwertes von Eva-Maria Eggert, Stadtführerin in Borgholzhausen:
Am 10. Oktober 2016 wurden in Borgholzhausen die ersten 11 Stolpersteine vom Bildhauer und Aktionskünstler Gunter Demnig verlegt. Seitdem ist Borgholzhausen Teil des weltweit größten Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Stolpersteine wurden verlegt für jüdische Opfer des Holocaust aus Borgholzhausen oder deren Angehörige sowie für einen polnischen Zwangsarbeiter und seine Geliebte, die in Borgholzhausen denunziert worden waren. Weitere Steine sollen folgen, sobald die Kurzbiografien der Opfer erforscht sind.
Die Namen und Verlegeorte sind:
Elise Hesse, geb. Kempenich, Jahrgang 1877, Ehefrau von Jakob Hesse aus Borgholzhausen, lebte bis 1931 in Borgholzhausen, verzog dann nach Essen, wurde am 21.07.1942 nach Theresienstadt deportiert, von dort aus am 15.05.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Friederike Hesse, Tochter von Elise und Jakob Hesse, geb. 1906 in Borgholzhausen, 1929 nach Herne verzogen, 24.06.1932 Heirat mit Julius Stern, von Köln nach Theresienstadt deportiert, am 07.03.1943 ermordet.
Julius Stern, Jahrgang 1887, Ehemann von Friederike Hesse, 1942 nach Theresienstadt deportiert, am 01.10.1944 zusammen mit Tochter Inge nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Inge Stern, Tochter von Friederike und Julius Stern, Enkelin von Jakob und Elise Hesse, geb. am 22.09.1933 in Olsberg, zusammen mit dem Vater nach Theresienstadt und von dort am 01.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Gertrud Hesse, in Borgholzhausen geboren, 1926 nach Bielefeld verzogen, 1937 von Essen aus 1937 nach London emigriert, 1946 nach New York gezogen, verstarb dort.
Verlegeort: Kaiserstraße 25, vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Hesse
Max Weinberg, 1888 in Borgholzhausen geboren, zieht 1937 unfreiwillig nach Hannover, wird 1938 aus Buchenwald entlassen, verstirbt am 06.02.1938 in Hannover.
Selma Weinberg, Jahrgang 1893, Ehefrau von Max Weinberg, am 15.12.1941 von Hannover nach Riga deportiert, in Stutthoff 1944 ermordet.
Gisela Weinberg, Tochter von Max und Selma Weinberg, in Borgholzhausen geboren, 1941 von Hannover nach Riga deportiert, in Stutthoff am 24.03.1945 ermordet.
Hans Robert Weinberg, am 30.11.1937 nach Rietberg verzogen, 1938 nach Hannover verzogen, von dort nach England emigriert. 1951 in England verstorben. Seine Tochter Pamela Earnshaw besuchte im Oktober 2016 anlässlich der Stolpersteinverlegung Borgholzhausen.
Verlegeort: Mittelstraße 1, vor dem ehemaligen Wohnort der Familie Weinberg
Zdzislaw Talma, geb. 1920 in Polen, Zwangsarbeiter, 1941 in Borgholzhausen denunziert und verhaftet wegen „Rassenschande“, öffentlich erhängt in der Clever Schlucht am 22. 04.1942.
Wilhelmine Kairies, geb. 1920 in Dortmund, „Pflichtjahrmädchen“ in Borgholzhausen, denunziert und verhaftet in Borgholzhausen, verbrachte die Jahre 1941-1945 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.
Verlegeort: Kaiserstraße 2, vor dem Gebäude, an dessen Stelle vormals das Amt Borgholzhausen war
Die Initiativgruppe
Die Initiative ist von Schülerinnen und Schülern des Projektkurses der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule unter der Leitung von Renate Gieskemeyer ausgegangen. Sie verfolgen das Ziel, auch Borgholzhausen in das Kunst-und Erinnerungsprojekt von Gunter Demnig einzubeziehen. Nach dem positiven Ratsbeschluss ist eine Initiativgruppe entstanden, zu der auch der Heimatverein, Vertreter fast aller Parteien und interessierte und sachkundige Bürger der Stadt gehören.
Die Intention
Schon länger gab es in Borgholzhausen Überlegungen, ob und wie man das Leben jener Menschen symbolisch sichtbar machen könnte, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden: Juden, Opfer der „Euthanasie“ oder „Rassenschande“, politische Verfolgte, Jehovas Zeugen oder Homosexuelle. Die Erforschung möglicher Opfer ist noch nicht abgeschlossen oder die Erinnerung an sie ist weitgehend verblasst. Die Stolpersteine sollen dem Vergessen entgegenwirken.
Die Gedenksteine
Stolpersteine nennt der Bildhauer Gunter Demnig die 10x10 cm großen Steinwürfel mit Messingtafel, die er in den Bürgersteig vor jenen Häusern einlässt, in denen die Opfer einmal zu Hause waren. Bis zum Oktober 2016 hat der Künstler 60000 Stolpersteine in 21 Ländern verlegt. Was einst als Kunstprojekt mit der symbolischen Verlegung einiger Steine 1996 in Berlin begann, ist nun zum Lebenswerk des Künstlers geworden, das weltweit Echo erzeugt. Es handelt sich um das größte Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialimus.
„Stolpern“ soll man über diese Steine nicht mit den Füßen, sondern „mit dem Kopf und dem Herzen“.
Die Finanzierung
Die Stolpersteine werden über Patenschaften finanziert und sind an der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule und bei den Borgholzhausenern auf positive Resonanz gestoßen.
Es standen zahlreiche Spenden von Schülern und Lehrern der Gesamtschule sowie Parteien und Borgholzhausener Bürgern zur Verfügung.
Die Verlegung am 10.10. 2016
Zur Verlegung der ersten 11 Stolpersteine kam Gunter Demnig am 10. Oktober 2016 nach Borgholzhausen. Die Stadt Borgholzhausen und die Initiativgruppe hatten zu einer Erinnerungsfeier eingeladen, an der auch die Enkelin der Familie Weinberg, Pamela Earnshaw und viele Borgholzhausener Bürger teilnahmen. Frau Earnshaw war aus Großbritannien angereist und las die Namen ihrer Familienmitglieder vor.
Der stellvertretende Bürgermeister Hermann Ludewig, der ehemalige Schüler Sebastian Fischer und die Pastorin Silvia Schulz hielten Reden, in denen die historische Bedeutung dieses Tages hervorgehoben wurde. Zum Schluss trugen sich Gunter Demnig und Frau Earnshaw in das goldene Buch der Stadt ein.